Chester Bennington Memorial in Hamburg 26.08.2017

Wie lange habe ich diesen Tag herbei gesehnt? Und doch habe ich mehrfach darüber nachgedacht, nicht hinzugehen. Aus Angst, meine Trauer nicht im Griff zu haben, vielleicht sogar zusammen zu brechen. Aber ich habe mich überwunden, meine Ängste überwunden und es war richtig so.

Eine tolle Gruppe von Fans hat am 26.08.2017 eine Trauerfeier zu Ehren unseres Chester veranstaltet. Unterstützung haben sie von Warner Music erhalten, dem Plattenlabel der Band. Wir haben die Möglichkeit erhalten, vor dem Hamburger Standort gemeinsam zu trauern, der schönsten Musik auf Erden zu lauschen und Abschied zu nehmen. Mein großer Dank geht an die vier Mädels und Jungs, die all das auf die Beine gestellt haben sowie an die vielen kleinen Helferlein im Hintergrund. Es war einfach großartig und keinesfalls selbstverständlich.

Für mich war dieses Memorial so unglaublich wichtig. Ich kann mit Trauer nicht umgehen. Meine Emotionen treffen mich oft mit voller Wucht und ich bin ihnen hilflos ausgeliefert. In meinem bisherigen Leben musste ich schon einige Beerdigungen über mich ergehen lassen. Auf jeder habe ich bisher geweint wie ein Schlosshund. Doch jedes Mal ging es mir danach besser. Auch wenn es sich komisch anhört, aber bei Beerdigungen kann ich Abschied nehmen und Abstand gewinnen. Ich kann mich lösen von der Trauer, dem Verlust und dem Schmerz. Es ist wie eine Erlösung. Zwar höre ich nicht auf zu weinen und zu trauern, jedoch kann ich den Weg in eine weitere Phase der Trauerbewältigung gehen. Und das ist es doch, was wir letzten Endes wollen. Lernen, mit der Trauer umzugehen, sie zu akzeptieren und nach vorn zu schauen. Daher hatte ich so unglaublich viel Angst vor dieser Veranstaltung. Ich wusste, ich würde damit nicht umgehen können. Mitten in einem Haufen voller Fremde stehen und gnadenlos vor mich hin heulen. Und es war genauso. Jedoch war ich nicht allein. Es waren alles Freunde dort. Freunde einer riesigen Familie. Der Linkin Park Familie. Wir alle haben gemeinsam einen unglaublich traurigen, aber auch schönen Abend verbracht.

Es gab für jeden ein Bändchen sowie einen Flyer und einer Postkarte. Den Flyer konnte ich mir bis heute nicht ansehen, aber sobald ich mich wieder gefasst habe, weiß ich wo er liegt. Ich weiß, er ist wunderschön geworden. Mit tollen Bildern von Chestern, Songtexten und dem Abschiedsbrief der Band. Die Postkarte haben wir in dem für mich schönsten und emotionalsten Moment in die Luft gelassen. Jeder konnte auf der einen Seite seine Adresse eintragen, in der Hoffnung, dass die Karte irgendwann ihren Weg zurück findet. Auf der anderen Seite war Platz für unseren letzten Wunsch an Chester. Was wir ihm mit auf den Weg geben wollten. Wir haben unsere Karten an schwarze und weiße Luftballons gebunden und zu „Iridescent“ in die Luft gelassen. Immer wenn der Refrain kam und das „Let it go“ erklang, stiegen Luftballons in den Himmel über der Speicherstadt. Dieser Moment war so emotional, so unfassbar toll und traurig zugleich. Ich hatte das Gefühl, für einen kurzen Moment mit Chester verbunden zu sein. Mein Wunsch war auf dem Weg zu ihm und ich hoffe, dass es ihm dort, wo er nun ist, besser geht. Nichts anderes wünsche ich mir für ihn. Deshalb habe ich auch einen weißen Ballon gewählt. Er soll die Hoffnung darstellen. Die Hoffnung an ein besseres, nein, ein erfüllteres Leben – ohne Dämonen. Daher trug meine Postkarte auch die folgenden Worte zu ihm in den Himmel:

„Dear Chester,

let your demons behind you und become happy again. You deserve it. Keep an eye on us.

I love you. I miss you.“

Musikalisch untermalt wurde der Abend von vielen Liedern der Band – vorgetragen von einem Berliner Sänger. Auch wenn ich nicht ein einziges Lied mitsingen konnte, war es wunderschön. Dennoch hatte ich immer wieder diesen einen Gedanken im Kopf: dass wir all diese Lieder, diese herzerfüllenden Strophen und Emotionen zwischen den Textzeilen nie wieder live von dem Menschen hören werden, der uns allen so unglaublich viel bedeutet. Denn er ist nicht mehr hier. Er hat uns verlassen. Und nun müssen wir lernen, damit umzugehen. Lernen, die Trauer zu bewältigen. Lernen, die Zukunft so zu nehmen, wie auch immer sie uns erwarten möge. Ich habe nach wie vor Probleme, mir die Lieder der Band anzuhören. Es tut zu sehr weh, Chester’s Stimme zu hören. Vor allem die Lieder mit den enormen Bedeutungen kann ich einfach nicht anhören ohne in Tränen auszubrechen. Zwischen all den Fans und Familienmitgliedern war das in Ordnung und hat mir etwas geholfen, denn es gab viele, denen es ähnlich ging und auch noch geht. 

Eine weitere tolle Aktion war die Möglichkeit, Briefe an die Familie und die Band zu verfassen. Uns wurde versichert, dass diese tatsächlich ankommen und ich glaube daran. Es lag mir sehr viel daran, meinen ersten Moment mit Linkin Park Revue passieren zu lassen. Ich habe der Band geschrieben, weil sie genauso Teil von Linkin Park sind wie es Chester war. An Talinda konnte und wollte ich nicht schreiben. Es steht mir nicht zu, ihr zu schreiben. Sie hat das Wichtigste in ihrem Leben verloren. Keine Worte können ihr das zurückgeben, was sie verloren hat. Und bevor ich ihr etwas geschrieben hätte, was ich nie selbst erlebt habe, dachte ich mir, ich lasse es sein. Stattdessen wählte ich ein paar Worte an die fünf Jungs. An Mike, Brad, Rob, Phoenix und Joe. Ich erzählte ihnen, wie ich die Videopremiere von „One Step Closer“ auf MTV vor dem TV verfolgte. Wie mich die Band veränderte und mich in den wichtigsten Stationen meines Lebens stets begleitete. Vielleicht finden sie meinen Brief eines Tages und lesen ihn. Es würde mir so viel bedeuten, aber natürlich weiß ich, dass sie so viele Briefe in den letzten Tagen und Wochen bekommen haben, dass es einfach unmöglich scheint. Aber allein das Wissen, dass der Brief zumindest in ihre Nähe kommt, reicht mir.

Wahrscheinlich werde ich in den nächsten Tagen erneut zu Warner Music gehen und schauen, wie die Gedenkstätte, die gestern und in den vergangenen Wochen entstanden ist, aussieht. Es ist wie eine Art Grab, das man besuchen kann. Ein Platz zum Gedenken.

Nun möchte ich euch noch ein paar Fotos zeigen, die gestern entstanden sind. Da ich selbst nicht in der Lage war, auch nur ein paar brauchbare Fotos zu machen, habe ich die Erlaubnis bekommen, die Fotos einer tollen Fotografin hier posten zu dürfen. Besucht gern auch ihre Seite auf Facebook: Mieke-Photographie

Danke euch allen für die Chance, persönlich Abschied nehmen zu dürfen. Es bedeutet mir so enorm viel. Ich werde euch und diesen Abend niemals vergessen und stets in Ehren halten. Danke!

Who cares if one more light goes out? Well WE do!

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