Je suis Charlie

Ich hätte nie gedacht, dass ich so einen Beitrag einmal schreiben werde. Jedoch erfordern besondere Zeiten auch besondere Reaktionen.
Wahrscheinlich haben viele von euch aus den Zeitungen und Nachrichten erfahren, dass am Mittwoch Vormittag in Paris die Redaktion einer Satirezeitschrift von zwei mutmaßlichen Terroristen gestürmt wurde. Die Täter haben dabei 10 Mitarbeiter sowie 2 Polizisten brutal erschossen, weitere Personen wurden teils verletzt. Seitdem befinden sie sich auf der Flucht. Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich um zwei Brüder algerischer Einwanderer, die bereits mit Al-Kaida und dem Dschihad in Verbindung gebracht wurden.
Warum hat es „Charlie Hebdo“ getroffen und wer ist das überhaupt?
Charlie Hebdo ist eine der bedeutendsten Satirezeitschriften Frankreichs, die mit Karikaturen ihre Meinung verdeutlicht. Den höchsten Bekanntheitsgrad in Deutschland hat Charlie Hebdo mit der Veröffentlichung der sogenannten „Mohammed-Karikaturen“ aus der dänischen Jyllands-Posten erreicht.

Am 8. Februar 2006 erschien eine Sonderausgabe des französischen Satireblatts Charlie Hebdo, die auch einige andere Karikaturen zeigte. Auf dem Titelblatt befand sich ein Abbild Mohammeds, der die Hände vor das Gesicht schlägt und sagt: „C’est dur d’être aimé par des cons.“ – „Es ist hart, von Idioten geliebt zu werden.“ Quelle: Wikipedia Mohammed-Karikaturen

Der Chefredakteur Philippe Val rechtfertigte sich damals im Zuge einer Anklage gegen das Satireblatt:

Philippe Val sagte, dass mit den Karikaturen keinesfalls ein Angriff auf die Muslime beabsichtigt gewesen sei, sondern auf Terroristen. „Keine Provokation, Satire war das. Damit die Meinungsfreiheit ganz klar umrissen wird vom Gesetzgeber und nicht von religiösen Fanatikern bestimmt wird, haben wir das gedruckt!“ Quelle: Wikipedia Mohammed-Karikaturen

Und genau darum geht es hier. Um Meinungsfreiheit. Alle Menschen haben ein Recht auf Meinungsfreiheit. Wenn jemand eine Meinung hat, darf er die der Öffentlichkeit kundtun. Die Satire steht dem in nichts nach. Denn genau dafür ist sie da. Meinungen kundzutun, um Menschen zum Nachdenken anzuregen. Die Satire bedient sich dabei dem Humor. Doch auch das ist nicht verboten. Man muss nicht immer alles ernst sehen im Leben. Man kann auch einmal darüber lachen, auch wenn es nicht zum Lachen sein sollte. Und trotzdem tut man es. Man lacht über ernste Belange. Und es befreit. Man erhält einen reinen Blick auf das Wesentliche.
Was wir Blogger jeden Tag machen ist genau das Gleiche. Wir teilen unsere Meinung mit euch allen. Wir diskutieren über Gott und die Welt und immer fließt – wenn auch unbeabsichtigt – eine eigene Meinung in die Beiträge ein. Das war schon immer so und das wird immer so bleiben. Sicher ist es ein Unterschied ob ich in meinen Beiträgen einzelne Reiter anklage, weil sie ihre Pferde in Hyperflexion arbeiten oder ob ein großes, bekanntes Satireblatt scheinbar eine ganze Religion angreift. Doch das hat sie nicht getan. Sie haben jene angegriffen, die jetzt zurückgeschlagen haben. Auf brutalste Art und Weise. Hinterlistig, geplant, mit dem Willen ihre eigene Meinung durchzusetzen. Doch ist das nicht genau das, was sie den Redakteuren von Charlie Hebdo verbieten wollten? Ihre Meinung kundzutun?
Jedoch haben sie dabei eines nicht bedacht. Die ungebrochene Solidarität einer ganzen Menschheit. Europa und die Welt haben sich vereint. Es finden stille Proteste statt. Ein Satz prägt in diesen Tagen eine ganze Welt. Ein Satz, der all dieses auf so einfache Art zeigt: Je suis Charlie! Ich bin Charlie! Nous somme Charlie! Wir sind Charlie! Die Welt hält zusammen. Man mag denken, alle Redaktionen der Welt haben sich zusammengetan. Überall liest man es: Je suis Charlie! Und man kann sie sehen, die vielen Karikaturen, die auf einmal von überall aus dem Boden zu sprießen scheinen. Noch mehr Satire überall. Noch mehr Meinungen. Auf jedem Titelblatt. Auf Internetseiten. Im Fernsehen.
Ob das der Plan war? Ob es das wert war? Noch mehr Aufsehen zu erregen? Noch mehr Protest zu erwirken? Wer glaubt jetzt noch an die vermeintliche Beleidigung des Propheten, des Mohammeds, Allahs? Ich nicht. Denn ich kenne den Unterschied zwischen Satire und ernster Beleidigung. Charlie Hebdo hat nicht beleidigt. Sie hatten einen spitzen Stift. Und der hat sie das Leben gekostet. 10 Redakteure haben ihr Leben gelassen, damit alle Menschen auf der Welt ihre Meinung frei äußern dürfen. Auch wenn ich diese 10 Menschen nicht kannte, respektiere ich ihre Arbeit und wünsche den Angehörigen, Freunden und Verwandten sowie den Überlebenden die Kraft, das weiterzuführen, was diese mutigen Männer und Frauen begonnen haben.
Und das tun sie auf beeindruckende Weise. Die überlebenden Redakteure der Zeitschrift haben angekündigt, am 14. Januar (genau eine Woche nach dem Attentat) eine neue Ausgabe herauszubringen. Sie wird den Titel „Le Journal des Survivants“ (Das Journal der Überlebenden) tragen und ein Zeichen setzen. Sie begründen die Ausgabe mit dem Aufruf, dass der Zeichenstift immer der Barbarei überlegen sein werde.

Kurt Tucholsky sagte einmal: „Was darf Satire? Alles!“

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